Leben Pur – Beziehung, Liebe und Sex in der heutigen Gesellschaft

November 22, 2009

2.10 Du erinnerst mich an Liebe – oder an was eigentlich?

Filed under: Liebe & Sexualität — hackreb @ 9:29 pm
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Wer meinen Blog seit längerer Zeit verfolgt, hat sicherlich mittlerweile mitbekommen, dass ich stets versuche die Themen Liebe und zwischenmenschliche Beziehungen sowohl von rationaler als auch emotionaler Ebene zu betrachten. Das ist notwendig um mehr oder weniger zuverlässige Aussagen treffen zu können, sonst endet es entweder in einer Hollywood Love-Story oder aber in einer Betrachtungsweise, die eher an Commander Spock erinnert.  Wie immer macht es wohl die Mischung.

Doch woran erkennt man Liebe? Was ist dann Verliebt sein? Und wann bilde ich mir das alles nur ein?

Bumm Bumm!

Sicherlich oder hoffentlich hat jeder von uns in seinem Leben bereits die Erfahrung gemacht einen Menschen kennenzulernen, bei dem es einen so richtig aus der Bahn haut. Wenn man diesen Menschen trifft ist jede Sekunde kostbar, wir haben die berühmten Schmetterlinge im Bauch und kaum ist der Mensch verschwunden, bekommen wir schon wieder Sehnsucht nach ihm. In der Regel kommt sowas eher in jungen Jahren (14-18) vor, danach wird das ganze mit steigendem Alter eher seltener. Ich bin heute 29 und kann von mir behaupten, dass ich es noch nicht oft erlebt habe – aber ich habe es zumindest erfahren.

Doch was genau bedeutet das „Bumm Bumm“ eigentlich? Viele Menschen bezeichnen dieses Gefühl als Liebe, was aber – aus meiner Sicht heute – nicht richtig ist. Es geht hierbei viel mehr um ein VERliebt sein. Etwa 99.9 % der Menschen die ich kenne erzählen mir, dass sie zu Beginn dieses Kribbeln hatten, im Laufe der Zeit dann aber etwas anderes daraus gewachsen ist. Dieses „Andere“ könnte man dann wohl als Liebe bezeichnen. Doch ich will nicht über die Liebe an sich sprechen, sondern das Thema VERliebt behandeln.

Ein Freund von mir war kürzlich in einer Situation, in der er kaum klar denken konnte, so sehr war er verliebt. Er beschrieb mir das Ganze zunächst am Telefon sehr emotional – ich wollte ihm erst nicht glauben, bis ich ihn dann tatsächlich gesehen habe. Kein schöner Anblick um ehrlich zu sein. Ein Mensch, der normalerweise keine Probleme mit Frauen hat, war plötzlich komplett gelähmt und auf eine einzige Frau fixiert. Die Problematik lag nun aber darin, dass die gute Dame nicht so ganz wußte was sie will und ihn mehr oder weniger an der langen Leine hielt. Diese Situation führte dazu, dass mein Freund das letzte bisschen Stolz verlor und sich komplett auf die „Wunderdame“ konzentrierte. Am Ende kam es so, wie es kommen musste: Es ging schief und die Scherben aus Enttäuschung, kaputtem Stolz und Wut lagen auf dem Boden.

Wie kann so etwas passieren?

Die normale Herangehensweise zwischen 2 Menschen läuft eigentlich so ab:

1. Man sieht sich und findet sich attraktiv.

2. Man riecht sich und findet sich unterbewußt aufgrund von Duftstoffen attraktiv.

3. Man lernt sich kennen und prüft sowohl unterbewußt als auch bewußt ob man zusammen passt.

4. Man kommt zusammen und bleibt es oder eben nicht.

Die meisten Menschen verfolgen wohl diese übliche Herangehensweise wenn es darum geht einen neuen Menschen kennenzulernen. So auch mein Freund. Es kam nur eine Kleinigkeit dazwischen: Die Gewichtung von Punkt 3 – passt man denn zusammen?

Die Romantiker unter uns (und ich bin auch einer) schreien jetzt vielleicht auf. „Wenn man sich gern hat, muss es doch klappen!“ So dachte ich auch immer und an und für sich ist das schon richtig. Dennoch ist es ein Wunschdenken, da der Faktor „Vernunft“ nicht vollständig ausgelassen werden sollte. Darüber habe ich aber schon mal geschrieben, als es um die postpubertäre Mid-Life Crisis ging. Mir geht es hierbei aber viel mehr um die Interpretation dieser besagten Gefühle. Diese kleinen Mistdinger können uns nämlich ganz schön was vormachen…

Ich saß nun also bei meinem Freund und fragte ihn, ab welchem Zeitpunkt denn diese extremen Gefühlen begonnen hatten und seine Antwort war recht interessant. Zu Beginn waren diese Gefühle nämlich noch gar nicht so extrem, es war ganz schön zwischen den Beiden und er war wie immer recht cool drauf. Erst zu dem Zeitpunkt, zu welchem er nicht das zurückbekam, was er investierte begannen diese Auswüchse in die Extreme. Plötzlich wurde es für ihn ein Problem sie mal paar Tage nicht zu sehen, obwohl das doch bisher immer ohne Probleme funktionierte. Jede SMS wurde gedeutet, jedes Antwort genau überlegt. Das unkomplizierte aufeinander zugehen und kennenlernen wurde von dem Drang überschattet Bestätigung zu bekommen. Und hier fingen dann auch die Gefühle an – oder das was er als Gefühle bezeichnete.

Sind wir also nur ein Opfer unserer stetigen Sucht nach Bestätigung? Ein mir sehr naher Mensch sagte mir neulich auf diese Geschichte, dass verliebt sein eigentlich eine extrem rationale Sache ist:
Wir lernen einen Menschen kennen, sind aufgeregt und wissen nicht was uns erwartet. Dies führt dazu, dass unser Körper Stresshormone ausschüttet (im Volksmund als Schmetterlinge im Bauch bezeichnet) und wir fühlen uns anders als wir es gewohnt sind. Diese Aufregung verschwindet in der Regel dann, wenn wir den Menschen näher kennenlernen und merken, dass wir ganz gut zusammen passen. Passiert nun aber das Gegenteil und wir werden an der langen Leine gehalten bleiben zum einen diese Stresshormone (und verursachen den „Herzschmerz“, was nicht anderes ist als eine körperliche Reaktion auf die Hormone) bestehen, zum anderen passiert etwas viel bedeutenderes: Unser EGO kommt ins Spiel. Nun geht es nicht mehr nur darum, einen Menschen kennenzulernen, es geht darum, dass ein Mensch uns nicht will bzw. wir in dessen Augen nicht gut genug sind.

Je nachdem wie verwöhnt man ist, kann das ganz schön böse Folgen haben.

Ich habe meinem Freund geraten klaren Tisch zu machen, er aber sagte er wolle kämpfen – er wolle ihr die Augen öffnen. Ich fragte ihn wofür er denn kämpfen wolle, es gäbe doch noch nichts. Ist ja nicht so, dass sie jahrelang zusammen waren und etwas aufgebaut haben. Ich persönlich bin auch ein Kämpfer, aber sollte es sich nicht lohnen für etwas zu kämpfen und nicht nur für das eigene Ego? Nu denn, für ihn waren die Gefühle es wert, dass man für sie kämpft. Also kämpfte er… und flog auf die Schnauze. Er kämpfte weiter… und flog wieder auf die Schnauze. So ging das eine ganze Weile. Was lernen wir daraus?

Es ist nicht möglich um die Gefühle eines Menschen zu kämpfen. Entweder das Gegenüber hat einen so gerne, dass er/sie es auch will oder eben nicht. Da gibt es keine Mitte und kein Augen öffnen. Auch ich musste das einst lernen. War eine harte Lektion.

Jedenfalls erklärte ich meinem Freund, dass wenn er nicht aufhören kann zu kämpfen, solle er die Basis für diesen Kampf entfernen. Sowas geht recht einfach – versuche alles und wenn du das getan hast, kannst du mit gutem Gewissen aufgeben. Diesen Rat hat er befolgt und ihr ein letztes Mal die Frage gestellt ob es eine mögliche Zukunft geben könnte. Sie verneinte diese Frage und damit war das Thema durch. Und jetzt kommt der interessante Part:

1 Tag später sah ich meinen Freund quietschfidel auf der Strasse und es ging ihm blendend. Auf meine Frage ihn, was passiert sei, sagte er nur „Ich habe jetzt Gewissheit und auch wenn es sich nicht so entwickelt hat, wie ich wollte, weiß ich nun zumindest woran ich bin“. Ich dachte zunächst an ein Überspielen seiner Gefühle, aber einige Tage später bekräftigte er diese Aussage. Er sagte, dass er zwar die gemeinsame Zeit vermisse, aber es ihm ehrlich blendend ginge. Er habe erkannt, dass kein Mensch es wert ist, dass man sich wegen diesem Menschen schlecht fühlt. Er könne im Nachhinein keine 3 Dinge nennen, die ihn bei der Frau wirklich beeindruckt hätten. Alles worauf er gebaut hatte, war die Zuneigung, die ohne Frage bestand, und dem Wunsch das Mädel glücklich zu machen – was ja auch wieder eine Bestätigung fürs eigene Ego ist.

Ganz ehrlich – Ich war beeindruckt.

Ich habe dieses Beispiel absichtlich so ausführlich beschrieben, da unser Ego in der Tat eine sehr wichtige Rolle in unserer Gefühlswelt spielt. Dies sollte an diesem Beispiel klar geworden sein.

Doch wo bleiben denn die „echten“ Gefühle?

Ich möchte nicht behaupten, dass mein Freund die falschen Gefühle hatte. Er hatte die Kleine gern, davon bin ich überzeugt. Er hat aber den Fehler gemacht, dass er sich von seinem Ego hat steuern lassen und nicht auf seinen Verstand gehört hat. In dem Moment in welchem ihm klar wurde, dass die Beiden keine Zukunft haben, da sie einfach zu unterschiedlich sind (und diesen Moment hatte er schon recht früh – und er kämpfte trotzdem), hätte er es sein lassen sollen. Eines steht außer Frage – man muss einen Mensch gern haben um mit ihm näher zusammen zu sein. Aber das unbeschreibliche Bumm-Bumm von denen uns Hollywood erzählt, gibt es in dieser Form nicht. Das ist eine Erfindung des menschlichen Egos und in der Regel macht es alles kaputt, da es die Basis für rationales Denken raubt.

Ich will auch nicht das „Kämpfen“ schlecht reden, aber die Sache ist doch ganz einfach: Mensch A zeigt Mensch B, dass er sie gern hat. Mensch B gibt das nicht zurück. Forget it.

Ich will der Welt eine Sache mitgeben, da ich sie selbst schmerzhaft erfahren musste: Egal wie kaputt ein Mensch ist, welche schlechten Erfahrungen ein Mensch gemacht oder was auch immer einem Menschen zugestossen ist – es gibt den „kalten“ Menschen nicht. Jeder kann sich verlieben und Gefühle für sein Gegenüber aufbringen. Gibt man eine gesunde Menge an Gefühlen an sein Gegenüber und es kommt nichts zurück, dann  ist diese Person einfach nicht die Richtige.  Klingt einfach, ist aber so.

Doch worauf sollten wir denn achten, wenn wir verliebt sind?

Ich habe es eben schon angesprochen, die Gefühle müssen da sein. Eine rein rationale Beziehung einzugehen, nur weil es „passt“ ist sicherlich nicht der richtige Weg. Es ist eigentlich nicht wirklich schwer. Wenn wir einen Menschen kennenlernen, den wir gern haben und wir uns bei diesem Menschen wohl fühlen, sind Punkt 1 und Punkt 2 doch schon mal durch. Wenn man nun noch gut zusammenpasst (was übrigens nichts mit Alter, Geschlecht, sozialem Stand oder ähnlichem zu tun hat) steht einer Beziehung doch nichts im Weg. Spätestens hier merkt man dann ob es funktioniert oder nicht.

Daraus wächst dann Liebe… und das ist es wonach man im Leben streben sollte.

Auf das unbeschreibliche Bumm-Bumm zu warten ist jedenfalls nicht das Richtige – da es nicht existiert, ausser in unserem Ego.

„Laufe nicht der Vergangenheit nach und verliere Dich nicht in der Zukunft. Die Vergangenheit ist nicht mehr. Die Zukunft ist noch nicht gekommen. Das Leben ist hier und jetzt.“
Siddhartha Gautama

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